Freitag, 16. Dezember 2005

Das letzte Jahr

Die Ereignisse im letzten Jahr haben sich überschlagen. Ärger, Wut, schlaflose Nächte, neue Heimat, neue Freunde und eine unbeschreibliche Verbundenheit.

Mitte letzten Jahres benötigte meine Große für eine Untersuchung meine Unterlagen. Ich erteilte mein Einverständnis dafür; wollte aber sonst nichts damit zu tun haben. Doch leider wurde darauf keine Rücksicht genommen. Ich war so wütend auf meine Große, all die quälenden Fragen und aufgedrängten Gespräche begannen von vorne. Aus heutiger Sicht kann ich nur dankbar für die Hartnäckigkeit sein.

Ich beschloss meine Zelte in der Heimat abzubrechen. Die Gelegenheit beruflich nach Berlin zu ziehen kam mir da gerade recht. Ich war der Überzeugung, wenn ich nach Berlin ziehe, könnte ich den quälenden Gesprächen entfliehen und endlich wieder meinen Seelenfrieden finden.

Mitte Oktober letzten Jahres hielt ich meine spärlichen Unterlagen in den Händen. Ich brauchte einige Tage, bis ich bereit war mir diese Unterlagen anzusehen, natürlich habe ich anfänglich nichts von alledem, was da stand, verstanden. An den Unterlagen war ein kleiner Zettel mit der Internetadresse der XY-Frauen. Also musste das Internet herhalten, die Fülle an Informationen hat mich förmlich erschlagen. Das was dort stand, habe ich vorher noch nie gehört. Nach und nach verstand ich ansatzweise meine Unterlagen. Irgendwann schrieb ich eine Mail an die XY-Frauen, es entwickelte sich ein erster Kontakt. Wie ich allerdings an den Webmaster gekommen bin, kann ich heute nicht mehr sagen; eigentlich ist Schlepp ja gar keine Erstkontakterin; wir schrieben munter Mails hin und her. Irgendwann – Anfang dieses Jahres - war ich mir meiner Entscheidung nach Berlin zu gehen doch nicht mehr so sicher. Daraufhin schrieb Schlepp mir von ihrer Cousine, die in Berlin lebt und gab mir die E-Mail-Adresse von Grobi. Die E-Mails sausten täglich quer durch Deutschland - viele Fragen klärten sich. Grobi erzählte mir von dem Intersex-Stammtisch der Berliner GeschlechtsgenossInnen.

Allein das Wissen, ich bin nicht mehr alleine, hat mir geholfen mit meiner Intersexualität besser klar zu kommen.

So zog ich im April nach Berlin und fieberte meinem ersten F2F beim Stammtisch entgegen. Eigentlich habe ich in solchen Situationen immer ein Bauchgefühl; doch ich konnte beim besten Willen kein Gefühl ausmachen. Also ging ich zum ersten Mal zum Stammtisch. Grobi und ich trafen uns schon etwas früher. Wir haben uns auf Anhieb super verstanden. Und was soll ich sagen, ich hatte das Gefühl endlich zuhause zu sein. Es hört sich vielleicht blöd an, wenn ich sage, ich habe meine Familie gefunden, aber das ist die passendste Bezeichnung dafür. Immer wieder fällt mir dieses unsichtbare Band der Verbundenheit zu meinen GeschlechtsgenossInnen auf. Ich bin endlich in meiner Heimat, in der man mich versteht, angelangt; es bedarf nicht erst langer Gespräche um sich zu erklären.

Dieses Gefühl kam auch beim Treffen mit Schlepp wieder. Wir kannten uns bisher ja nur vom Mailen her und nach kurzer Zeit stellten wir uns Fragen, die man sich normal nicht stellen würde.

Diese Treffen und insbesondere die Erfahrungen haben mir gezeigt, ich bin nicht alleine und Verdrängen ist auf gar keinen Fall die richtige Taktik. Nun stelle ich mich meiner Vergangenheit und den zukünftigen Problemen. Neulich las ich folgenden bedeutsamen Satz in den Berliner Unterwelten

„Wer die Vergangenheit nicht kennt, ist dazu verurteilt, sie zu wiederholen.“

Da ich meine Vergangenheit tatsächlich nur zu einem sehr kleinen Teil kenne, bin ich gezwungen in meiner Vergangenheit zu suchen. Jetzt, da ich bereit bin meine Vergangenheit aufzuarbeiten, kommen immer mehr kleine Bruchstücke zurück. Sicherlich ist das schwelgen in solchen Erinnerungen oft schmerzhaft, aber es ist auch verdammt heilsam.

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